Heiße Sommer, wochenlange Trockenheit und plötzlicher, heftiger Starkregen: Die Folgen des Klimawandels sind auch im Allgäu deutlich spürbar. Besonders in Städten zeichnen sich die Folgen oft besonders deutlich. Kann eine grünere Stadt hier Abhilfe schaffen? Bei einem spannenden Stadtspaziergang am 11.4.2025 mit KIMM-Vorstand Felix Schachenmayr konnten Besucher*innen dazu mehr erfahren. Quer durch die Innenstadt führte der studierte Umweltwissenschaftler rund 20 Besucher*innen durch das gestern, heute und morgen von Natur in der Stadt.

Natur hat’s schwer!
„Natur kostet fast nichts, leistet in ihrer Vielfalt aber extrem viel“, erklärte Schachenmayr zu Beginn. Die natürliche Artenvielfalt erfülle viele sogenannte ‚Ökosystem-Dienstleistungen‘: Von der Produktion von Nahrungsmitteln oder Holz, über die Reinigung von Luft und Wasser bis hin zur Quelle von Erholung und Gesundheit. Doch die Leistungen der natürlichen Artenvielfalt sind in Gefahr: Seit 1970 sei die globale Biodiversität um fast 70% zurückgegangen. „Das ist ein riesiger Verlust!“, so der Umweltwissenschaftler.
Der Ausbau von Städten und die Zerstörung natürlicher Habitate durch Bauprojekte spielten dabei eine große Rolle. „Die Umgebung einer Stadt ist herausfordernd für Pflanzen und Tiere“, erklärt Schachenmayr. Versiegelte Flächen, häufige Störungen und regelmäßige Veränderungen erlaubten nur wenigen Pflanze und Tieren, in Städten zu überleben. „Gute Stadtplanung kann hier für Verbesserungen sorgen: Sie schafft Lebensraum für Arten, während der Mensch profitiert“

Menschen machten sich die Vorteile von Natur in Städten schon seit Jahrhunderten zu Nutze: Im Mittelalter wurden auch innerhalb der Memminger Stadtmauer Obst und Gemüse in Höfen angebaut. Stadtnatur als Raum für Erholung war aber oft noch ein Luxus: Schachenmayr zeigt den Zollergarten hinter dem Rathaus. Schon 1775 wurde hier für die reiche Familie der Zoller ein Garten nördlich der Stadtmauer errichtet. Für die breite Bevölkerung wurde Grün zur Erholung etwa mit der Umgestaltung des Hallhofs in einen üppigen Park um 1900 erreichbar.

„Heute brauchen wir grüne Städte mehr denn je“, sagt der KIMM-Vorstand. Durch den Klimawandel könne die steinerne Umgebung einer Stadt auch für den Menschen zur Herausforderung werden: Regenwasser kann auf Asphalt und Pflaster nicht versickern. Asphalt, Ziegel und Beton speichern Wärme über Stunden und sorgen dafür, dass es im Zentrum von Städten oft besonders heiß ist. „Handeln wir nicht, kann das Stadtzentrum im Sommer so schnell zu einem regelrechten Backofen werden“.

Grün ist nicht gleich grün
Anpassung an Hitze spielte auch bei der neuesten Umgestaltung des Weinmarkts eine große Rolle. 13 sogenannte ‚Klimabäume‘ sollen mit Verdunstung und Schattenwurf gegen Überhitzung helfen. „Grün ist aber nicht gleich grün“, mahnt der KIMM-Vorstand am Weinmarkt. Obwohl gestalterisch gelungen sei, sei die Umgestaltung ökologisch nur wenig sinnvoll. „Amberbaum, Gleditschie und Schnurbaum kommen aus Amerika oder Asien und sind für heimische Arten praktisch nutzlos.“ Heimische Tiere sind oft für auf wenige, ausgewählte Pflanzen angepasst. Um in der Stadt Futter und Rückzugsorte für Tiere zu schaffen, sei eine vielfältige heimische Vegetation besonders wichtig.

Knapper Raum – Kreative Lösungen
Im Rahmen der Weinmarkt-Umgestaltung sei noch etwas klar geworden: Raum für mehr Natur und Artenvielfalt in der Stadt ist knapp. Müssen Parkplätze oder Fahrspuren weichen, sorgt das oft für Probleme. „Hier kann man kreativ werden“, sagt Schachenmayr und führt die Besucher auf das Dach des Parkhauses in der Schwesternstraße. „Auch Fassaden und Dächer lassen sich begrünen.“ Das Ergebnis biete nicht nur Abwechslung vom städtischen Grau, sondern mit einer vielfältigen Artauswahl Lebensraum für Bestäuber und Vögel. „Eine Grünfassade bietet Schatten und sorgt für Verdunstung – das schützt im Sommer vor Hitze!“

Fassaden und Dächer alleine seien aber nicht genug, so Schachenmayr. Die Flut im Sommer 2024 hatte beeindruckend vor Augen geführt, wie gefährlich starke Niederschläge werden können. „Für künftige Starkregenereignisse brauchen wir in Zukunft viel mehr Raum für Versickerung“. Es lohne sich, Gewässern mehr Raum zu geben und durch Mulden und Gräben Platz für den den Rückhalt von Regenwasser zu schaffen.

„Wenn wir heimische Tier- und Pflanzenarten schützen wollen, müssen wir aber auch unsere eigenen Gärten verändern“, schließt Schachenmayr östlich des Bahnhofs seine Führung. Zu oft würde in der Gestaltung auf steinerne Oberflächen, fein getrimmten Rasen und exotische Pflanzen zurückgegriffen. „Natürlich ist das Geschmackssache. Mit jedem Steingarten und jeder Thujahecke bieten wir Bienen, Igeln oder Vögeln noch weniger Lebensraum.“

Schon mit wenig Veränderung können Stadtklima und Artenvielfalt profitieren: Blühwiese statt Kies, Sträucher statt Kirschlorbeer oder ein heimischer Baum könnten bereits viel bewirken. Die Stadt gehe bereits mit gutem Beispiel voran: Erst 2024 wurde eine Kreuzung zu an der Schießstattstraße zu einem Park umgebaut. An der Straße nebenan wachsen heimische Blühpflanzen auf grünen Randstreifen.

Zum Abschluss hatte der Umweltwissenschaftler eine klare Botschaft: „Es ist unsere Verantwortung, auch vor unserer eigenen Haustüre gegen Klimawandel und Artenverlust zu kämpfen.“ Gerade bei neuen Bauprojekten sei Vorsicht geboten: Nachverdichten und Begrünen statt dem Bau auf der grünen Wiese seien das Gebot der Stunde.
Mehr erfahren!
Bei unserem Vortrag „Schwammstadt“ mit Dr. Ing. Well im Sommer 2025 ging es um die Nutzung von Stadtgrün für den Schutz vor Flut und Hitze.
Der 3. Memminger Klimafrühling fand vom 27.3.2025 bis zum 13.4.2025 statt. Das gesamte Veranstaltungsprogramm mit unseren 14 Events findest du hier:
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