Heizen mit Wasserstoff – Kann das gehen?

Oktober heißt: Es ist wieder Zeit zu heizen! Spätestens mit Anfang der Heizsaison stellt sich für viele wieder die Frage: Wie soll es weitergehen in Zukunft? Gas, Fernwärme, Wärmepumpe oder Wasserstoff – welche Technologie ist die richtige? Können Wasserstoff und grüne Gase Zukunftsenergieträger und nachhaltige Technologien in der Breite des Allgäus werden? KIMM sagt: Die besten Antworten kommen aus der Region! Mit Professor Doktor Steyer konnte der Fachmann aus der Region gewonnen werden.

Der Professor an der Fakultät Elektrotechnik und Laborleiter der sogenannten „Innovationsschmiede“ der Hochschule Kempten erläuterte am Donnerstag, dem 24.10. in einem Vortrag unterschiedliche Technologien der Wärmeversorgung. Das Interesse war groß: Das Maximilian-Kolbe-Haus füllte sich am Donnerstag mit knapp 100 Personen. Nach einer Vorstellung von der KIMM-Vorstände Lydia Reimann und Wolfgang Friedl wurde es spannend: Der Kempter Experte betrat die Bühne.

Klimaneutralität: Ziel in Bund und Land

Professor Doktor Steyer hob zu Beginn seines Vortrags hervor: Klimaneutralität ist ein bundesweites Ziel. Derzeit verbraucht derzeit Einwohner Deutschlands circa 9 Tonnen CO² – viel zu viel. Denn: Unsere Wälder, Gewässer und Böden nehmen nur 0,2 t pro Kopf auf. Es ist also klar: Wir müssen weg von den fossilen Energieträgern wie Kohle, Öl und Gas.

Tatsächlich gilt: Der Energieverbrauch in Deutschland ist in den letzten 50 Jahren massiv gestiegen. Seit 1970 haben sich die Menschheit und die Energiebedarfe jeweils verdoppelt. Deutschland benötigt jährlich 2407 TWh Energie. Ganze 24% dieser Menge werden nur für Gas für die Wärmegewinnung benötigt. Neben Mineralöl ist Gas damit der aktuell größte und wichtigste Energielieferant. Steyer betont: Das muss sich ändern! Die Energiewende ist nur dann zu schaffen, wenn wir Wärme, Strom und Mobilität um insgesamt 83% im Verbrauch senken.

Also wie?

Wie kann dieser Wandel gelingen? Ohne fossile Energieträger, so der Professor, stehen insgesamt vier Wärmequellen zur Verfügung: Luft, Erde, Sonne und Wasser. In Bayern hätten hiervon nur Windkraft und Photovoltaik wirklich Potenzial. Aber: Nachts scheint keine Sonne. Photovoltaik allein kann die Energiewende daher nicht ermöglichen. Um Schwankungen im Tages- und Jahresverlauf auszugleichen, werden sowohl Wind- als auch Solarenergie benötigt. Steyer betont: Mit nur einer Quelle sei das nicht möglich.

Wasserstoffherstellung: Hoher Energieverbrauch

Hier kommt in der aktuellen Debatte oft Wasserstoff ins Spiel. Wasserstoff ist brennbar, lässt sich lagern, und kann zur Gewinnung von Strom und Wärme genutzt werden. Warum also nicht gleich mit Wasserstoff heizen? Kann er die nachhaltige Wärmewende ermöglichen?

Zunächst gilt: Wasserstoff ist nicht automatisch klimaneutral. Der Kemptener Forscher beleuchtete ausführlich verschiedene Herstellungsmethoden. Aber egal ob grauer Wasserstoff, blauer Wasserstoff oder türkiser Wasserstoff: Beim Herstellungsprozess entstehen erhebliche Emissionen an Methan und Kohlendioxid. Einzig der sogenannte grüne Wasserstoff wird CO²-frei hergestellt.

Grüner Wasserstoff entsteht bei der sogenannten „Elektrolyse“ – also der Nutzung von Strom zur Zerlegung von Wasser (H2O) in Sauerstoff (O) und Wasserstoff (H2). So entsteht Wasserstoff, der wiederum zur Gewinnung von Strom und Wärme verbrannt werden kann. Solange der verwendete Strom aus erneuerbaren Energien stammt, entsteht der „grüne Wasserstoff“ ganz ohne direkte CO²-Emissionen.

Gibt es genug Strom?

Aber: Es gibt einen Haken. Besonders effektiv ist dieser Prozess nicht: Mit einem Wirkungsgrad von 60-70% geht bei der Herstellung von Wasserstoff viel Energie verloren. Wasserstoffgewinnung per Elektrolyse braucht daher extrem viel Strom. Das Problem: Die Energie dafür muss erst einmal verfügbar sein.

Wasserstoff: Eine knappe Ressource

Die sogenannten „big5-Studien“ haben erforscht, wie Deutschland planmäßig bis 2045 klimaneutral werden kann. Sie alle zeigen ein übereinstimmendes Ergebnis: Unser zukünftiger Energiebedarf ist rechnerisch lösbar. Aber: Die Rechnung ist knapp. Wind- und PV Kapazitäten müssen massiv ausgebaut werden. Bis 2050 benötigt Deutschland voraussichtlich 100 – 251 TWh Strom. Allein dieser Bedarf könne, so Steyer, nicht aus eigenen Ressourcen gedeckt werden. Für die zusätzliche Herstellung von Wasserstoff bliebe also nur wenig Energie übrig.

Das heißt: In einem klimaneutralen Deutschland ist Wasserstoff eine knappe Ressource. Wie wäre es also mit Import? „Ein Handel mit Wasserstoff per Schiff ist nicht sinnvoll“, erklärt Prof. Dr. Steyer. Wasserstoff kann nur mit hohem Druck und Kühlungen bis -273 °C transportiert werden. Das heißt: Der Transport allein würde riesige Mengen an Strom verbrauchen. „Das widerspricht jeder Absicht, Energie zu sparen“, so der Professor. In der Konsequenz wäre es wirtschaftlicher direkt Strom zu importieren.

Gasheizungen ersetzen?

Warum also nicht einfach Gas und Wasserstoff mischen? So ließe sich der Bedarf doch reduzieren – oder? Tatsächlich gibt es neue Gasheizungen, die mit 100% Erdgas oder auch 100% H2 betrieben werden können. Aber: Im gegenwärtigen Gasnetz kann aber nur 20% H2 beigemischt werden. Eine vollständige Umstellung hält Steyer für nicht wahrscheinlich: Weder sei das Gasnetz für Wasserstoff ausgelegt, noch würden alle Gasabnahmestellen zeitgleich die Umstellung vornehmen. Und es gibt noch ein Problem: „Gas selbst wird in Zukunft viel zu teuer sein“, erklärt Steyer. Wenn Zertifikate im Emissionshandel auslaufen, sei der bekannte Energielieferant schon bald nicht mehr bezahlbar.

Das klare Credo des Experten lautete: Wasserstoff ist knapp und damit teuer. In Zukunft solle er nur dort eingesetzt werden, wo es wirklich zwingend erforderlich ist – etwa in der Stahlindustrie. Eine Lösung für die breite Wärmeversorgung der Zukunft sei Wasserstoff nicht.

Biogas: Nachwachsende Energie aus der Region?

Wasserstoff kann unseren Wärmebedarf beim Wohnen in Zukunft nicht decken. Gerade im Allgäu fragen sich daher viele Menschen: Können „Grüne Gase“ eine Alternative sein? Im Allgäu kennt man die Technologie gut: Aus Energiepflanzen und organischen Reststoffen wird Biogas gewonnen. Diese Biogase werden in Blockheizkraftwerken verbrannt, um Strom und Wärme zu gewinnen. 

Die typischen Behälter für Biogas stehen rund um Memmingen in fast jedem Dorf. Das hat einen Grund: Bisher ist Biogas sehr lukrativ. Die Erträge werden nach den Regeln des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) vergütet. Darüber hinaus bieten Biogas und der daraus erzeugte Strom zwei große Vorteile: Sie sind kontinuierlich verfügbar, und lassen sich entsprechend der Nachfrage regulieren. Warum heizen wir also nicht damit?

Steyer erklärt: Biogas lässt sich nicht einfach in die herkömmlichen Gasnetze einspeisen. Es muss erst in einem Reinigungsprozess hergestellt werden. Dieser Arbeitsschritt ist teuer. „Die Aufbereitung erfordert Investitionen, die kleine Anlagen nicht amortisieren können“, betont er.

Hohe Kosten sind aber nicht das einzige Problem am Biogas. Auch hier gilt: Effektiv ist diese Methode nicht. Werden auf einer Fläche statt Mais für Biogas PV-Anlagen gebaut, lässt sich – je nach Ort zwischen 30 und 70 mal mehr Energie erzeugen. Wer die Energiegewinnung optimieren wolle, müsse also auf Photovoltaik setzen. „Es ist deshalb zu erwarten, dass Maisflächen in Monokultur stark schrumpfen werden“, erklärt Prof. Dr. Steyer. In Zukunft erwarte er nur noch eine Verstromung von 5% über die Verbrennung von Rest- und Abfallstoffen.

Neben Biogas bleibt noch eine nachwachsende Alternative: Holz. Wäre das nicht eine Option? Steyer verneint: Das Allgäu habe gegenwärtig überalterte Wälder, die kurzfristig Holz für 15% des Heizungsbedarfes sichern können. Die Zeitachse ist jedoch schneller, als verjüngter Wald nachwachsen kann. Mit Holz könne man den Bedarf in der Breite daher nicht decken.

Am Ende alternativlos

Prof. Dr. Steyer fasst zusammen: Am Ende kommt die Wärme der Zukunft vor allem aus einer Quelle. „Wärmepumpen sind die Technologie der Wahl“, so der Professor. Nur die Wärmepumpe könne den Energieverbrauch für Wärme in Deutschland ausreichend reduzieren. Denn: Im Vergleich mit einer Wasserstoffheizung verbrauchten Wärmepumpen nur knapp ein Sechstel der Energie.

Das beeindruckende ist: Wärmepumpen produzieren aus einer 1kWh Strom gleich 3 bis 5kWh nutzbare Wärme. „Diese Wirkungsgrade werden kaum durch eine andere Technologie erreicht“, so Steyer. Nur eine Technik ermöglicht eine noch höhere Wärmeausbeute: Die Geothermie. Hier gilt aber: Geothermie kann nur da herangezogen werden, wo Wärmequellen im Erdreich vorhanden sind und der unmittelbare Absatz ohne große Leitungsverluste möglich ist.

Anderswo bereits ein Erfolgsmodell

Aber: Kann die Wende mit Wärmepumpen wirklich gelingen? Tatsächlich ist der Umstieg auf die Zukunftstechnologie Wärmepumpe anderswo bereits ein Erfolgsmodell: Skandinavien hat bereits zu 90% umgestellt. Selbst im hohen Norden habe die Technologie Erfolg.

Steyer schloss seinen Vortrag mit Fakten über seine eigene Immobilie im Allgäu. Er selbst w0hne in einem 1997 erbauten Ziegelhaus, ohne Dämmung, ohne Fußbodenheizung und mit nur wenigen ausgetauschten Heizkörpern. Ein Problem sei das aber nicht: Die installierten Wärmepumpe kann mit Strom seiner eigenen PV-Anlage der vierköpfigen Familie behagliche Wärme schenken.

Zusammenfassend blieb die Botschaft, nicht auf Wasserstoff zu vertrauen. Die Menge an produziertem Wasserstoff reiche niemals aus, um Deutschland in Zukunft mit Wärme zu versorgen. Dies seien Rechercheergebnisse des Professors und Fakten seiner Forschung. Bei allen hoffnungsvollen Visionen des Wasserstoffs – die „Wundertechnologie“ für Heizen heißt: Wärmepumpe.

Mehr erfahren:

Den kompletten Vortrag mit allen Folien könnt ihr über diesen Link herunterladen.

KIMM setzt sich immer wieder für eine effektive, sozial verträgliche und schnelle Wärmewende ein – zum Beispiel mit der Vortragsreihe „Heizen und Dämmen“, den „12 Thesen für eine klima- und sozialgerechte Wärmewende“ oder in einer Podiumsdiskussion mit OB Jan Rothenbacher.


Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert